Demut vor dem Leben

Ihr habt mich gefragt, wie es mir geht „Ein Jahr danach„. Der Tag, an dem ich fast tot war, Ärzte im Leipziger Klinikum St. Georg um mein Leben kämpften, meine Familie, Freunde, Kollegen für mich gebetet haben und mich mit Motivationsbotschaften ermutigt haben – vielleicht auch ihr. Dieser Tage jährte sich mein „kleiner Geburtstag“, wie es eine meiner Töchter nannte. Deswegen war es hier auch etwas ruhiger, in mir dafür umso aufgewühlter. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Emotional geht es bei einem Trauredner und Trauerredner immer zu, aber das war schon sehr speziell.
Ein Jahr danach: Kaum einer hätte gedacht, dass ich es überlebe. Keiner hätte gedacht, dass ich wieder laufen oder arbeiten kann. Was für ein grandioser Erfolg! Ja, ich bin stolz. Und dankbar, und demütig! Ein harter Weg – der sich gelohnt hat. Aber ich schaue trotzdem wehmütig auf die Zeit vor diesem Unfall zurück. Ich war belastbarer, das Leben war leichter, unbeschwerter, einfacher.
Heute setze ich bewusst Pausen in meinen Alltag. Heute wird mir bewusst, was wichtig ist. Heute sage ich öfter Nein. Heute traue ich mich Dinge, die ich früher nie gemacht hätte. Heute lebe ich bewusster (nein: nicht gesünder). Aber ich weiß: Dieses eine Jahr allein war Bonuszeit. Was für ein Geschenk!
Ich genieße mein Leben mit meiner Familie, mit meinem Beruf, mit Höhen und Tiefen der Selbständigkeit, mit jedem selbstgebackenem Brot und all dem, was ich kreativ schaffen kann. Ich schenke Menschen Zeit, höre ihnen zu, gestalte mit meinen Reden Zeremonien zum Innehalten. Ohne Theatralik und Pathos, sondern von Mensch zu Mensch.
Ich gestalte bedeutende Momente des Lebens, weil ich weiß, was Leben bedeutet.
In jeder Zeremonie, die ich gestalte, versetze ich mich in das Hochzeitspaar, die Eltern, die Angehörigen hinein. Heute kann ich auch sagen: Das, was ich erlebt habe, war die teuerste Weiterbildung meines Lebens. Sie hat mir die Kostbarkeit des Lebens auf ganz neue Weise gezeigt, mich Demut vor dem Leben gelehrt. Wie oft sind wir gestresst oder genervt. Aber wir können etwas tun. Was ist, wenn all das plötzlich nicht mehr möglich ist? Und ich habe auch den Alltag von Ärzten, Pflegern, Schwestern und all den Menschen im Krankenhaus kennengelernt. All diese Menschen wissen, was echter Stress ist, was Verantwortung bedeutet. Sie haben meine Hochachtung!
Begleitet mich auf die größte Abenteuerreise – das Leben. Mit Humor und Tiefsinn. Ich erzähle – manchmal auch mit Gästen – von großen Festen wie Hochzeit, Taufe und natürlich auch Abschied. Die Trauerfeier, letzte Fest eines Menschen auf Erden. Bei all diesen Lebensereignissen spreche ich als freier Redner – als Wunschredner.
Und alle dieser Feierlichkeiten haben eines gemeinsam: Es geht um Leben, Lieben, Lachen.
Ja, auch bei der Trauerfeier darf geschmunzelt werden. Und auch Episoden aus dem Familienleben bleiben nicht verborgen. Von der Erdbestattung eines Regenwurms bis zur Verwandlung von Wasser in Eis.