Spürt ihr das auch? Irgendwas ist anders dieses Jahr. Die fröhlichen, althergebrachten Sprüche zum „happy new year“ gehen einem nicht so leicht von den Lippen. Kein Wunder: Krisen allenthalben. Politik, Wirtschaft, Kultur. Mitten in der Weihnachtsstimmung ein Anschlag mit Toten und Verletzten. Anhaltende Inflation, also weniger im Einkaufswagen für mehr Geld. Krieg an vielen Stellen der Welt; und holt man sich mal den Globus ins Wohnzimmer, merkt man: Soweit ist das gar nicht weg.
Wie soll man da ein frohes Fest wünschen? Ein glückliches neues Jahr?
Jauchzet, frohlocket? Nein, eigentlich ist es überall zum Heulen und davonrennen.
Aber wohin?
Wenn ich eines 2024 gelernt habe, dann das: Das Leben geht nie schnurstracks geradeaus wie eine vierspurige Autobahn. Es gibt Abfahrten (auch verpasste), Umleitungen, Baustellen, Stau und auch jene, die auf der Überholspur den Fuß auf dem Gaspedal haben, landen mitunter ganz schnell in der Leitplanke. Im besten Fall drücken sie dann noch den SOS-Knopf im Auto und hoffen auf Rettung per Hubschrauber. Wenn sie auf der gesperrten Autobahn im Stau dahinter steckten, würden sie bitterlich schimpfen und fluchen ob des Zeitverlustes.
Versetzen wir uns mal in genau diese Situation: Der wütende Autofahrer sieht seine Termine in Gefahr, das nächste Meeting, das Abendessen mit Freunden. Und er vermag gar nicht zu ahnen, was ein paar hundert Meter vor ihm sich gerade abspielt. Wo Menschen vielleicht um ihr Leben kämpfen, vielleicht das Wichtigste gerade verloren haben jenseits des Materiellen. Wir wissen nicht und urteilen doch.
Ich glaube, ich bin selbst einer von diesen Menschen. Auf der Überholspur (Frau, Familie, Haus und ein erfüllender Beruf als Freier Redner). Dann der Crash: ein Unfall, der alles in Frage stellt. Ja, alles, sogar das Leben. Mein „Crash“ ist jetzt gut zehn Monate her, aber ich lebe. Dennoch werde ich jeden Tag und manchmal in den unpassendsten Momenten daran erinnert. Aber ich lebe. Ich bin dankbar und gleichwohl hadere ich manchmal. Ich frage mich: Warum ich? Warum jetzt? Warum so brutal?
Da kommt mir dieser schöne Satz in den Sinn:
Das Leben bekommst du geschenkt, aber das Leben schenkt dir nichts.
Und da kommt wieder meine Arbeit als Freier Redner ins Spiel. Es ist ein Privileg (so sehe ich es), manchmal aber auch eine Bürde. Als Trauerredner treffe ich jede Woche Menschen, die traurig, verzweifelt, wütend sind – oder alles zusammen. Weil sie einen geliebten Menschen verloren haben. Mal ganz plötzlich, mal nach langem Leiden. Und nach und nach erzählen sie mir dann die Lebensgeschichte, wir tauchen gemeinsam ein in eine Biografie. So unterschiedlich diese sind, eigentlich haben sie alle eines gemein: Brüche. Als Trauredner treffe ich auf Menschen, die ihren großen Tag planen, Ja zueinander sagen wollen und mir Dinge anvertrauen, die viele der Gäste manchmal gar nicht wissen: unerfüllter Kinderwunsch, drohende Haftstrafen, komplizierte Familienverhältnisse, Krankheiten… Oder wie mein Vater gerne so schön sagt: „Unter jedem Dach ein and’res Ach.“
Aber es gibt auch keine imaginären Kräfte, die uns bedrohen. Auch wenn manche Verschwurbelungstheoretiker uns das weiß machen wollen. Es gibt nur reale Kräfte: Neid, Hass, Hetze… Die sind so alt wie die Menschheit, werden nur gerade noch schneller und noch präsenter.
Was können wir tun? Hinter das Antlitz schauen, Dinge auf den Prüfstand stellen, mit unserem Wertesystem ablgeichen, zusammenhalten, versöhnen, aufeinander zugehen. Letzteres ist wohl das Entscheidende. Denn das meiste, was wir tagtäglich erleben, ist von Menschen gemacht.
Jauchzet, frohlocket! Nie war es wichtiger.
Begleitet mich auf die größte Abenteuerreise – das Leben. Mit Humor und Tiefsinn. Ich erzähle – manchmal auch mit Gästen – von großen Festen wie Hochzeit, Taufe und natürlich auch Abschied. Die Trauerfeier, letzte Fest eines Menschen auf Erden. Bei all diesen Lebensereignissen spreche ich als freier Redner – als Wunschredner.
Und alle dieser Feierlichkeiten haben eines gemeinsam: Es geht um Leben, Lieben, Lachen.
Ja, auch bei der Trauerfeier darf geschmunzelt werden. Und auch Episoden aus dem Familienleben bleiben nicht verborgen. Von der Erdbestattung eines Regenwurms bis zur Verwandlung von Wasser in Eis.