Trauer ist nicht nur schwarz

Schwarz ist Trauer, weiß ist Hochzeit. Zumindest in unserem westlichen Kulturkreis. Man erwartet es fast, dass bei einer Trauerfeier alle in dunkler Kleidung erscheinen – als Zeichen des Respekts und der Ernsthaftigkeit. Aber ist das wirklich so? Nein! In der heutigen Zeit gibt es keinen festen Zwang mehr, Schwarz zu tragen. Immer mehr Trauernde entscheiden sich dafür, bunte oder hellere Farben zu tragen, die möglicherweise auch die Persönlichkeit des Verstorbenen widerspiegeln.
Farben können Trost spenden und dabei helfen, den Übergang vom Trauern zur Erinnerung zu gestalten. Es gibt kein Farbdogma, genauso wenig wie es vorgeschrieben ist, was Angehörige und Zugehörige zur Trauerfeier tragen.
Als Trauerredner würde ich es mir viel oft bunter wünschen. Weg mit der Schere im Kopf. Immerhin würdigen wir in einer Trauerfeier das gesamte Leben eines Menschen, und das war sicher nicht nur dunkel. Und: Kleidung und Farbe ist Ausdruck von Individualität, auch in der Trauerkleidung. Und dabei sollte der Fokus eben nicht auf der Schwere der Trauer liegen, sondern auch an positiven Erinnerungen.
Ich erinnere mich gerne daran, wie ich vor einiger Zeit mit einer Witwe im Trauergespräch saß, die mir begeistert von der Faszination ihres Mannes von den Bergen erzählte. Von seiner Leidenschaft, zu besonderen Anlässen in Tracht zu kommen. Er in Lederhose mit Janker, sie im Dirndl. Und ich sah das Leuchten in ihren Augen.
Also habe ich ihr gesagt: „Wir machen jetzt einen Deal: Sie kommen im Dirndl, ich ziehe meine Lederhosen an.“ Zugegeben, sie war skeptisch. Aber wir haben das durchgezogen! Ich hatte den Bestatter vorab informiert und er kam auch in Tracht, auf die Rückseite der Trauerhalle haben wir ein Alpenpanorama projiziert.
Was für ein Ambiente!
Genauso verstehe ich aber auch Menschen, die durch ihre Kleidung bewusst ein Statement setzen möchten. Ganz in Schwarz fühlt sich für manch einen wie ein Schutzmantel an, der anderen zeigen soll: Es gibt einen Bruch in meinem Leben. Es ist so etwas wie die Warnweste im Straßenverkehr.
Übrigens: Schwarz als symbolische Trauerfarbe hat seine Wurzeln im antiken Rom, als Trauernde in dunkler Kleidung erschienen, um ihre Trauer zu zeigen. In Europa wurde diese Praxis im Mittelalter weiter verbreitet, als der Klerus und die Adeligen die Trauerform festlegten. Schwarz galt als eine Farbe, die mit Bescheidenheit und Respekt assoziiert wurde und nicht mit Lebendigkeit oder Fröhlichkeit.
Besonders ab dem 18. Jahrhundert erlangte das Schwarztragen bei Trauerfeiern eine hohe Bedeutung, vor allem in der westlichen Welt. In dieser Zeit war es ein sichtbares Zeichen des gesellschaftlichen Status‘. Wer Trauer trug, konnte es sich leisten, Kleidung aus teuren Stoffen in dunklen Farben zu besitzen. Diese Tradition hielt sich bis ins 19. und 20. Jahrhundert und wurde von vielen als notwendig erachtet, um die Trauer öffentlich auszudrücken.
Ich als Trauerredner trage übrigens nie nur Schwarz. Mal ein farbiges Einstecktuch, mal ein blaues Sakko, mal eine bordeauxfarbene Hose und manchmal auch ganz andere Farben. Je nachdem, was zur Jahreszeit und auch zum Verstorbenen passt. Manchmal gibt es ein Motto à la „Jeder soll ein pinkes Teil tragen“. Dann bin ich natürlich dabei. Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht Mr. Fashion bin. Aber mir ist es schon wichtig, einen Akzent zu setzen. Ich fühle mit. Aber wenn sich alle Blicke auf mich richten, wenn ich vor der Trauergemeinde stehe, möchte ich bewusst nicht als schwarzer Monolith wahrgenommen werden. Aber eigentlich folgen die Menschen meiner Stimme, der Tonleiter des Lebens und einer Geschichte, die trotz des akuten Schmerzes Mut macht.
Wenn wir schon über Farben und Trauer sprechen: Auch die Trauerhalle und Kapelle wirken auf die Trauergäste. Es gibt Trauerhallen, die sind einfach düster. Dann gibt es Kirchen, auch kleine Dorfkirchen, die eine heimelige Atmosphäre ausstrahlen. Weniger ist oft mehr. Neulich war ich auf dem Friedhof Groitzsch (Jesewitz, Landkreis Nordsachsen) und habe eine wunderbare renovierte Trauerhalle vorgefunden. Reduziert auf das Wesentliche schenkt die kleine Kapelle Raum, um zu sich zu kommen. Hell und freundlich – gerade in düsteren Zeiten wie einer Abschiedsfeier wichtig. Wir sind alle visuelle Menschen und lassen uns unheimlich von Farben beeinflussen.
In anderen Kulturen wird Trauer oft mit ganz anderen Farben in Verbindung gebracht:
Farben haben nachweislich einen starken Einfluss auf unsere Stimmung und Emotionen. Das ist auch der Grund, warum wir in der Trauerfeier- und Trauerzeit zunehmend darüber nachdenken, wie die Farbwahl eine positive oder tröstende Wirkung auf die Trauernden haben kann:
Ja, bunte Farben können auch bei Trauerfeiern und Abschiedsfeiern eine sehr positive Wirkung haben. Sie bieten eine Möglichkeit, den Fokus von der Dunkelheit des Verlusts hin zu den schönen Erinnerungen und lebensbejahenden Aspekten des Verstorbenen zu lenken. Und damit spiegelt dies auch den Fokus meiner Rede wider. Ich möchte die Endlichkeit und den Verlust nicht leugnen, aber bewusst auch hin zu schönen Momenten führen. Bunte Kleidung oder Blumenarrangements können dabei helfen, den Moment der Trauerfeier zu einem aktiven, positiven Gedenken zu machen.
Für Trauernde kann es befreiend sein, in Farben zu erscheinen, die sie mit positiven Erlebnissen oder mit der Persönlichkeit des Verstorbenen verbinden. Mitunter gibt es auch eine Wunschfarbe oder die Idee, dass alle Trauergäste ein Accessoire in einer bestimmten Farbe tragen. Damit wird auch eine Gemeinschaft geschaffen. Ein Familienmitglied, das gerne lebendige Farben trug, hätte vielleicht Freude daran, wenn die Feier in einer Atmosphäre stattfindet, die ihre oder seine Lebendigkeit widerspiegelt.
Bei allem ist mir als Freier Redner eines wichtig: Dass sich die Trauernden wohl fühlen. Jede Entscheidung ist mit viel Fingerspitzengefühl verbunden, individuell, es gibt kein richtig oder falsch. Farben können eine Rolle spielen, anderen ist es total egal. Auch das ist in Ordnung. Gut ist, was euch gut tut und ihr in diesem emotionalen Moment braucht.
Begleitet mich auf die größte Abenteuerreise – das Leben. Mit Humor und Tiefsinn. Ich erzähle – manchmal auch mit Gästen – von großen Festen wie Hochzeit, Taufe und natürlich auch Abschied. Die Trauerfeier, letzte Fest eines Menschen auf Erden. Bei all diesen Lebensereignissen spreche ich als freier Redner – als Wunschredner.
Und alle dieser Feierlichkeiten haben eines gemeinsam: Es geht um Leben, Lieben, Lachen.
Ja, auch bei der Trauerfeier darf geschmunzelt werden. Und auch Episoden aus dem Familienleben bleiben nicht verborgen. Von der Erdbestattung eines Regenwurms bis zur Verwandlung von Wasser in Eis.