Reden sind Maßarbeit und nichts für Ghostwriter

Freie Reden sind Handarbeit. Sie entstehen aus dem persönlichen Gespräch. Vertrauen ist das oberste Gut.
Die freien Redner, die ich kennengelernt habe, bringen alle eines mit: Interesse an ihren Mitmenschen, Empathie und ganz viel Lust für ihren Job. Sie alle verstehen es weniger als Beruf denn als Berufung. Kein Wunder, schließlich beschäftigen wir uns mit den Menschen in entscheidenden Momenten ihres Lebens. Mal freudig und jauchzend wie bei der Hochzeit, mal traurig, nachdenklich und trotzdem mit positiver Energie wie bei der Bestattung. Aber auch zwischen diesen extremen Polen des Lebens gibt es genug Anlässe wie das Kinderwillkommensfest oder die Jugendweihe.
„Einer der wichtigsten Eigenschaften eines Redners ist sich selber zu bleiben. Ob beim Schreiben oder Reden – die Persönlichkeit des Redners ist gefragt“, sagt Martin Lieske. Wenn es einer wissen muss, dann er. Er ist wohl der freie Redner und Theologe mit der größten Erfahrung an Trauungen und Bestattungen. Ich habe meine Ausbildung bei ihm gemacht und schätze ihn – als Coach, Kollegen und Menschen.
Im Mittelpunkt stehen immer Menschen. Sie sind nicht nur unsere Auftraggeber, sondern auch der Mittelpunkt unserer Arbeit. Wir wollen sie mit Worten erwärmen, erheitern, sie zum Lachen bringen oder dunkle Gedanken vertreiben und Mut machen. Abgestimmt auf den jeweiligen Anlass bringt sich der freie Redner dazu mit seiner Persönlichkeit, seinem Charisma, seinen Ideen und seinen eigenen Worten ein.
Umso mehr war ich schockiert, als mich dieser Tage ein Freund kontaktierte, der als Ghostwriter und Autor arbeitet: Über ein Online-Portal hat ein „leidenschaftlicher, freier Trau-Redner“ (Selbstbezeichnung) bei ihm Hilfe beim Verfassen seiner Reden gesucht. Wörtlich schreibt der so genannte freie Redner (Schreibfehler im Original):
„Bei einer emotionalen, würdevollen und doch humorvollen freien Trauzeremonie geht es um die gesprochenen Worte. (…) Hierzu wird jeweils eine entsprechende Zeremonie und Rede nach Rücksprache und Wunsch des Brautpaares mit mir entwickelt. Am Tag selber begleite ich dann das Brautpaar mit meinen Worten. Und genau darum geht es! (…) Hier kommen Sie ins Spiel. Sie werden von mir mit den Antworten des Brautpaares auf meine umfangreichen Fragen ausgestattet und schreiben mir anhand des Trauablaufes die/den entsprechende/n Text/e.
Locker und Niveauvoll
würdevoll, aber nicht steif,
humorvoll aber nicht albern“
Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Brautpaar bucht einen freien Redner, vertraut diesem Menschen sein Innerstes an. Der „Kollege“ gibt seine Notizen dann an einen Dritten, der aus diesen Aufzeichnungen eine Rede formuliert. Diese wird dann vom „freien Redner“ bei der Hochzeit vorgelesen.
Das geht gar nicht! Nie, nie, nie.
Warum? Darum:
Nun könnte man vermuten, dass der hilfesuchende „freie Redner“ vielleicht am Anfang seiner Rednerkarriere steht. Doch dem ist nicht so. Er schreibt: „ Es kommt ca. 20-25x im Jahr eine Hochzeit. Tendenz hoffentlich steigen.“ (sic!) So konkrete Vorstellungen er über die Länge hat (Hierfür benötige ich dann jeweils ca 10 Din A4 Seiten geschrieben nach Stichworten, welche ich aus dem ausführlichen Vorgespräch aufnehme.“), so unsicher ist er beim Honorar. Der Ghostwirter macht ihm darauf ein Angebot und ruft 400 Euro auf. Die Hälfte des Honorars, welches der „freie Redner“ vom Brautpaar kassiert. Verständlich, immerhin liefert der Ghostwriter das, wofür das Brautpaar den „freien Redner“ im Wesentlichen bezahlt. Der Kontrakt kommt nicht zustande.
Der „freie Redner“ antwortet:
„Mir liegt kaufmännisches Rechnen nicht fern und ich kann sie verstehen. Jedoch rechnet sich für mich es nicht 50% ab zu geben. Mitbewerber bieten 50€/Seite bzw. auch pauschal 120€ an.“
Einen Tag zuvor hatte er noch geschrieben: „(…) herzlichen Dank für Ihr Angebot, das ist mir tatsächlich zu viel Geld…dann schreibe ich selber weiter…lieben Dank!“ Mein Freund hat das Angebot natürlich nicht akzeptiert, sonst hätte ich jetzt auch ein Problem, weiter sein Freund zu sein. Jetzt hat der so genannte freie Redneroffenbar jemanden gefunden, der sich auf den Deal einlässt und die Arbeit für einen Spottpreis macht. Man darf auf das Ergebnis gespannt sein. Oder besser nicht.
Bei mir hinterlässt das Ganze mehr als ein ungutes Gefühl. Kopfschütteln! Schon allein, dass jemand aus unserer Branche auf die Idee kommt, die elementarste Leistung outsourcen zu wollen und private Details des Auftraggebers an Dritte weitergeben zu wollen, hinterlässt mehr als ein schales Gefühl. Redner-Coach und Agenturinhaber Martin Lieske findet noch deutlichere Worte: „Eine Rede als Redner für ein Brautpaar schreiben zu lassen, ist ein Offenbarungseid der eigenen Unfähigkeit. Hier wurde der falsche Beruf gewählt oder grundsätzlich nicht verstanden, welche Verantwortung und Erwartung die Tätigkeit des Freien Redners mit sich bringt.“
Erst heute hat mich jemand gefragt, was mich von anderen Kollegen unterscheidet. Bislang erzählte ich daraufhin immer von meiner fundierten und anerkannten Ausbildung, meiner Lebens- und Berufserfahrung, meiner Sprachgewandtheit, der individuellen Betreuung vom Kennelerngespräch bis zum Ende der Zeremonie, meiner Spontaneität gepaart mit Humor und Professionalität und dem hohen Anspruch an mich selbst.
Dass ich meine Reden selbst schreibe, darauf bin ich nicht gekommen. Das ist selbstverständlich und machen alle professionellen freien Redner, die ich kenne. Und: Ich nehme nur so viele Aufträge an, die ich mit 100 Prozent Elan, Begeisterung, Authentizität und Zuverlässigkeit auch erfüllen kann. Denn: Jede Rede ist so einzigartig wie der Mensch, dem sie gewidmet ist – und immer mit ❤️.
Begleitet mich auf die größte Abenteuerreise – das Leben. Mit Humor und Tiefsinn. Ich erzähle – manchmal auch mit Gästen – von großen Festen wie Hochzeit, Taufe und natürlich auch Abschied. Die Trauerfeier, letzte Fest eines Menschen auf Erden. Bei all diesen Lebensereignissen spreche ich als freier Redner – als Wunschredner.
Und alle dieser Feierlichkeiten haben eines gemeinsam: Es geht um Leben, Lieben, Lachen.
Ja, auch bei der Trauerfeier darf geschmunzelt werden. Und auch Episoden aus dem Familienleben bleiben nicht verborgen. Von der Erdbestattung eines Regenwurms bis zur Verwandlung von Wasser in Eis.