Die Minuten vor Beginn einer Trauerfeier sind für mich ganz besonders. Ich atme die Atmosphäre ein, sammle Kraft, um Kraft geben zu können.
Die Trauerfeier – die Revue eines Lebens
Jede Trauerfeier ist die kleine Revue eines Lebens. Dazu gehören nicht nur Sonnenschein und Erfolge, sondern auch trübe Tage, Lebensbrüche und Herausforderungen. Ja, Ecken und Kanten inklusive. „Du bist der einzige Redner, der auch über nicht so schöne Dinge spricht“, hat mir neulich ein Bestatter gesagt. Ja, warum denn auch nicht? Ich möchte keinen heilig sprechen in meinen Reden, sondern ihn oder sie durch die Worte für einen Moment in die Mitte der Trauergesellschaft holen. Eine Wunschrede ist ebensowenig eine Generalabrechnung. Mein Leitmotto: „So wie du warst. So wie du bist. So wie du bleiben wirst.“ Ich stelle mir oft vor, ob derjenige oder diejenige über den ich spreche, sich wohl fühlen würde in diesem Moment.
Familie und Freunde werden angesprochen
So wie der Florist mit Blumen, der Bestatter mit der Dekoration, so schaffe ich mit der
Kraft der Worte und mit Trauerritualen eine Atmosphäre. Mit der 92-jährigen Dame sind wir noch einmal durch den Garten gewandelt, jenem Fleckchen Erde, das ihr ein und alles war. Ein Garten für die ganze Familie, Kinder und Enkel, aber auch Freunde und Wegbegleiter. Voller Arbeit, Erholung, Teamwork, Geselligkeit – und trotzdem nicht perfekt. Und gerade deswegen einmalig schön. Eine Trauerrede ist mehr als ein Aneinanderreihen von Daten und Episoden. Sie enthält eine Botschaft über den Tag hinaus.
Erinnern heißt auch Mut machen
Erinnern heißt nicht nur zurückschauen. Erinnern heißt Trauer zulassen, aber auch Mut machen, den
Samen der Hoffnung ausstreuen. Darin sehe ich als Trauerredner meine Aufgabe. Das fällt nicht immer leicht. Gerade dann, wenn wie in diesem Fall ein hochbetagter Ehemann zurückbleibt. Der aber getragen wird von einer starken Familie. Wenige Stunden nach der
Trauerfeier erhalte ich diese Zeilen:
Wir waren mit Ihrer Rede sehr zufrieden und angetan. Sie haben uns damit viel auf den Weg gegeben und unsere Mutti würdig geehrt. Von allen ein Lob!
Dann weiß ich, dass die Worte meiner Trauerrede genau die richtigen waren. „Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll.“ Das wusste schon der Wahl-Leipziger auf Zeit Johann Wolfgang von Goethe. Recht hat er. Und das gilt nicht nur für Trauerreden in Leipzig.