Wer sich für eine Trauerfeier entscheidet, möchte bewusst Abschied nehmen. Danke sagen, erinnern, loslassen.
Je nach Wunsch können sich die Angehörigen unterschiedlich intensiv einbringen. Mal ist es die akribische Auswahl bestimmter Musik. Und um einem Vorurteil entgegenzutreten: Man kann alles spielen. Ich spiele fast alles, nur bei rechter Musik bin ich raus. Ansonsten sind den Wünschen keine Grenzen gesetzt – von “La Paloma” von Hans Albers über Udo Jürgens “Aber bitte mit Sahne!” bis hin zu Felix Mendelssohn-Barthholdys Klavierkonzert. Mein Credo: Es muss zu dem Menschen passen, über den ich rede. Über die Geschichte der Musik von meinen Trauerfeiern, könnte ich einen ganzen Abend erzählen.
Doch heute soll es um Trauerrituale gehen. Ein Abschiedsritual zu Beginn, während oder am Ende der Trauerfeier oder vielleicht sogar bei der Verabschiedung an Urne oder Sarg ist etwas ganz Besonderes. Und es kann sehr stimmungsvoll in die Trauerrede einfließen.
Aufsteigen von Heliumballons: Für Kinder, Enkelkinder, Urenkel oder Ururenkel ist es ein besonderer Moment, wenn sie am Grab einen Ballon in die Lüfte steigen lassen. Gerne können die Ballons auch einen Zettel mit guten Wünschen enthalten. Die Seele ist auf dem Weg zu den Sternen.
Anzünden einer Kerze: Wenn jeder Gast zu Beginn der Trauerfeier eine Kerze entzündet oder am Grab des Verstorbenen eine Kerze illuminiert wird, ist das das Zeichen: nach dem Dunkel kommt auch wieder Licht, ein helles Licht möge dem Verstorbenen auf seiner Reise den Weg leuchten.
Gebettet auf heimischer Erde: Das ist für mich die emotionalste rituelle Handlung. Wenn Trauergäste Erde aus dem heimischen Garten mitbringen und gemeinsam das Grab zuschaufeln. Besonders bei Sargbestattungen ist es ergreifend, denn es ist auch körperlich anstrengend, und die Gefühle aus der Trauerfeier brechen sich Bahn, und alle kommen miteinander ins Erzählen.
Der letzte Drink: Vor einiger Zeit hatte ich eine Dame, die zu jedem besonderen Anlass einen Prosecco geköpft hat. Also haben wir nach dem Absenken der Urne auf sie mit ihrem Lieblingsprosecco angestoßen.
In jedem Abschied soll die Persönlichkeit des Verstorbenen deutlich werden. In der Rede, in der Musik, aber auch in Handlungen und Ritualen. Bei der Familie, die ich dieser Tage vor der Trauerfeier in Leipzig besuchte, fragte ich: „Wenn Sie jetzt die Augen schließen und an Ihren Vater denken, was sehen Sie da für einen Mann vor sich?“ Und alle Kinder waren sich einig: ein lebensfroher Mensch, arbeitsam und gütig, unheimlich kommunikativ und gerne hat er einen Korn getrunken. Am Freitag haben wir auf ihn einen Korn getrunken, haben mit einem Schnaps mitten in der Trauerrede auf ihn angestoßen. Und dann bat ich die Gäste, gleich noch einmal um ein Prost, nämlich auf seine Frau, die an diesem Tag nach 68 Ehejahren Abschied nehmen musste. Es war ein unheimlich herzlicher Moment. Eine Trauerfeier, bei der wirklich viel gelacht wurde – und die jenseits von Anekdoten und Begegnungen die Botschaft hatte: Lebe mit Freude, liebe mit Leidenschaft, verzeihe deinem Nächsten und gib einfach das Beste. Wir haben gelacht, aber auch geweint. Und bei allem schwang eines deutlich mit: Dankbarkeit.
Die Kinder und vielen anderen Trauergäste dieser Großfamilie waren sich einig: Es hätte ihm gefallen. Und auch er hat auf seine letzte Reise einen Schluck mitbekommen.
Es ist ein paar Jahre her, da wurden Grabredner mit einem Umschlag entlohnt. Darin waren ein paar Euro für ihren Einsatz. Mehr eine Anerkennung, denn mehr waren die Reden meist auch nicht wert. Wer häufiger bei Trauerfeiern war, hat immer die gleichen Worte gehört, nur die Namen wurden ausgetauscht. Das hat gar nichts mit einer zeitgemäßen Trauerfeier zu tun. Bei mir steht der Mensch im Mittelpunkt. Ich bleibe dabei: Jeder Mensch hat eine Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden. Und genau diese Details, die oft beim Leichenschmaus oder Kaffee nach der Trauerfeier ausgetauscht werden, gehören in die Trauerfeier. Und ja, in einer Trauerfeier darf auch geschmunzelt oder gelacht werden. Denn bewusst eingesetzter Humor befreit und hilft heilen. Wenn nicht bei der Trauer, wann dann?
Begleitet mich auf die größte Abenteuerreise – das Leben. Mit Humor und Tiefsinn. Ich erzähle – manchmal auch mit Gästen – von großen Festen wie Hochzeit, Taufe und natürlich auch Abschied. Die Trauerfeier, letzte Fest eines Menschen auf Erden. Bei all diesen Lebensereignissen spreche ich als freier Redner – als Wunschredner.
Und alle dieser Feierlichkeiten haben eines gemeinsam: Es geht um Leben, Lieben, Lachen.
Ja, auch bei der Trauerfeier darf geschmunzelt werden. Und auch Episoden aus dem Familienleben bleiben nicht verborgen. Von der Erdbestattung eines Regenwurms bis zur Verwandlung von Wasser in Eis.