Wenn ich aus dem Trauergespräch komme, frage ich mich oft: Wie willst du das alles in einer Rede unterbringen?
Auch die Angehörigen fragen mich das ab und an. Und ich erkläre Ihnen, dass nicht alles 1:1 einfließen wird, aber Sie mir bitte eines schenken sollen, nämlich Vertrauen. Dabei weiß ich auch, wie schwierig das ist. Immerhin vertrauen Sie mir so etwas unsagbar Wertvolles an: den Abschied eines geliebten Menschen zu gestalten.
Ich sage bewusst nicht Trauerfeier, denn ich feiere nicht die Trauer. Ich feiere das Leben. “Ich habe noch nie so eine dynamische Rede gehört”, sagte neulich ein Bestatter. Aber auch deshalb sind meine Reden bei der Bestattung Lebensreden, denn sie handeln vom Leben.
Ich bin überzeugt davon, dass meine Aufgabe als Freier Redner darin liegt, aus vielen Puzzleteilen ein Bild entstehen zu lassen. Unterschiedliche Perspektiven zu integrieren, den Verstorbenen zu ehren und mit einem Augenzwinkern Ecken und Kanten nicht zu verschweigen. Denn nur so wird er plastisch und authentisch. Dem Trauergespräch kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, hier lerne ich den Verstorbenen und die Familie kennen. Ich tauche ein in die Biografie, höre zu, hinterfrage und stelle Fragen. “Darüber habe ich noch nie nachgedacht”, höre ich dann oft. Aber genau das ist der Vorteil eines externen Redners. Er kann viel besser die Schätze des Lebens heben, sie in den Mittelpunkt stellen. Weil er nichts als selbstverständlich hinnimmt.
Vor einigen Tagen erhielt ich Post von einer Dame, deren Ehemann ich vor einigen Monaten begleiten durfte. Sie schrieb: “Als ich heute Zeuge einer Trauerrede wurde, wuchs in mir das Bedürfnis, Ihnen unbedingt nochmals mitzuteilen, welch eine lebensbejahende, das Leben des Verstorbenen mit all seine Facetten würdigende Rede Sie gehalten hatten. Eine solche Rede, wie die heutige, hätte uns den Abschied unnötig schwer gemacht. Das begann mit der Musik und einer durch Wiederholungen zu langen, gedehnten Rede, in der man den Verstorbenen oftmals nicht wieder erkannte. Nochmals vielen Dank.”
In all den Jahren habe ich als Grabredner auch eines gemerkt: Je offener die Angehörigen sind, je klarer wir sprechen, desto besser wird die Rede. Denn nur so kann ich mich 100% auf den Verstorbenen einlassen, ihm nachspüren. Klingt komisch, wenn ich das schreibe, ist aber so: Ich schlüpfe in der Lebensrede für Minuten in seine Haut, lege Puzzleteil für Puzzleteil seines Lebens. Erfolge gehören genauso dazu wie Scheitern, Triumphe genauso wie Niederlagen, Fragen genauso wie Antworten. So entsteht ein Porträt mit Worten, das bei den Zuhörern eines hinterlässt: Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit und eine Botschaft für die Zukunft.
“Sie haben aufmerksam zugehört”, hat neulich ein Familienmitglied nach der Trauerfeier zu mir gesagt. Selbstverständlich. Das Reden beginnt beim Zuhören und Wahrnehmen von Stimmungen. Denn es geht nicht nur darum, was gesagt wird, sondern auch Wie.
So wird aus einer guten Rede eine noch bessere, wenn sie den Zuhörenden Halt gibt, Kraft spendet, Mut macht. Wenn sie eine Botschaft hat über den Moment hinaus.
Begleitet mich auf die größte Abenteuerreise – das Leben. Mit Humor und Tiefsinn. Ich erzähle – manchmal auch mit Gästen – von großen Festen wie Hochzeit, Taufe und natürlich auch Abschied. Die Trauerfeier, letzte Fest eines Menschen auf Erden. Bei all diesen Lebensereignissen spreche ich als freier Redner – als Wunschredner.
Und alle dieser Feierlichkeiten haben eines gemeinsam: Es geht um Leben, Lieben, Lachen.
Ja, auch bei der Trauerfeier darf geschmunzelt werden. Und auch Episoden aus dem Familienleben bleiben nicht verborgen. Von der Erdbestattung eines Regenwurms bis zur Verwandlung von Wasser in Eis.